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Luhmann, Niklas

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Lebenslauf

geboren: 8. Dezember 1927 in Lüneburg
gestorben: 6. November 1998 bei Bielefeld

Niklas Luhmann war der Sohn eines Brauereibesitzers. Als 15-Jähriger wurde als Luftwaffenhelfer eingezogen und kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Von 1946 – 1949 studierte er Jura in Freiburg im Breisgau und arbeitete danach in der öffentlichen Verwaltung. 1960/1961 konnte er aufgrund eines Stipendiums an der Harvard University Soziologie studieren. In Harvard kam er mit Talcott Parsons strukturfunktionaler Systemtheorie in Berührung. Von 1962 – 1965 war Luhmann Referent an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und von 1965 – 1968 Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund. 1966 promovierte er in Münster, fünf Monate später wurde er dort auch habilitiert. Von 1968 – 1993 hatte er eine Professur für Soziologie an der Universität Bielefeld inne. Er starb an einer nicht endgültig geklärten Krankheit.


Bedeutung

Niklas Luhmann war ein deutscher Soziologe und Gesellschaftstheoretiker. Neben seinem amerikanischen Lehrer Talcott Parson ist er der Begründer der soziologischen Systemtheorie, die eine Art Universaltheorie für alle sozialen Systeme (z. B. Paarbeziehung, Familie, Organisationen, Funktionssysteme, Gesellschaft) darstellt. Die Systemtheorie Luhmanns gilt in der Gegenwart als eines der wohl erfolgreichsten und populärsten Theorieangebote im deutschen Sprachraum.


Lehre und Gedanken:

Ab den 1970er-Jahren entwickelte Niklas Luhmann seine äußerst einflussreich gewordene Systemtheorie, die bald Eingang in andere Wissenschaften, z. B. in die Literaturwissenschaft, Psychologie und in die Theorie des Managements, gefunden hat. Mit ihr wollte Luhmann einen Gesellschaftsbegriff etablieren, der den Gegebenheiten einer pluralistisch gewordenen Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts angemessen war.

In seinem Hauptwerk „Soziale Systeme“ von 1984 stellt Luhmann die Gesamtwelt als ein hoch komplexes System dar, das aus einer Vielzahl miteinander vernetzter Subsysteme besteht. Dabei definiert er ein „System“ als das Ganze des Zusammenspiels einzelner Elemente nach bestimmten Regeln, das durch seine Funktion (d. h. durch die Wirkungen, die es hervorbringt) gekennzeichnet ist. Luhmann betrachtet die menschliche Gesellschaft dabei als das umfassendste aller Systeme, das sich in Funktionssysteme ausdifferenziert. Solche Funktionssysteme sind beispielsweise Wirtschaft, Erziehung, Wissenschaft, Kunst, Recht, Religion und Politik.

In den verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen wird nach je eigenen Logiken unabhängig von den anderen Systemen kommuniziert. Dabei nutzen die unterschiedlichen Funktionssysteme unterschiedliche sogenannte „Leitdifferenzen“ oder auch „Codes“, die sich immer auf die System-/Umwelt-Unterscheidung beziehen. So funktioniert das Wirtschaftssystem beispielsweise über den Code „Geld – kein Geld“, das Rechtssystem über den Code „rechtmäßig – rechtswidrig“, das Wissenschaftssystem über „wahr – falsch“ und das politische System über „Macht – keine Macht“.

Kritiker haben Luhmann vor allem vorgeworfen, dass seine Systemtheorie ohne einen Begriff vom Menschen als Individuum auskommt. Die Gesellschaft, die Luhmann beschreibt, ist keine Gesellschaft, die aus einzelnen Menschen besteht, sondern ein auf höchster Abstraktionsstufe sich selbst organisierendes System, das sich auf sich selbst bezieht. Die zentrale Operation sozialer Systeme ist bei Luhmann zwar Kommunikation, diese findet aber nicht zwischen Individuen statt. Das, was einem Beobachter als kommunizierender „Mensch“ erscheinen könnte, entsteht für Luhmann erst durch Kommunikation.
Weiterhin hat das weitestgehende Fehlen eines normativen oder moralischen Elements in der Systemtheorie Luhmanns heftige Diskussionen ausgelöst.


Hauptwerke von Niklas Luhmann

„Soziale Systeme“ (1984)
Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie. Frankfurt /M.: Suhrkamp 2008.

„Die Gesellschaft der Gesellschaft“ (1997)
Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt /M.: Suhrkamp 2009.


Über Niklas Luhmann

Helga Gripp-Hagelstange: Niklas Luhmann. Eine erkenntnistheoretische Einführung. München: Fink 1997.

Walter Reese-Schäfer: Niklas Luhmann zur Einführung. Hamburg: Junius 2001.

Margot Berghaus: Luhmann leicht gemacht. Köln: Böhlau 2003.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2010

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